Inklusion ist an Eliteschulen des Sports kein Selbstläufer

12.11.2019

Erfolgreiche jugendliche Sportlerinnen und Sportler gehören oftmals einem Kader an, in dem sie gezielt in ihrer Sportart gefördert werden. Dies gilt auch für die paralympischen Sportarten. Die Kadermitglieder im Jugendalter stehen im paralympischen genauso wie im olympischen Sport vor der großen Herausforderung, Leistungssport und Schule miteinander zu vereinbaren, ohne dass einer der Bereiche ins Hintertreffen gerät. Unterrichtet werden die jungen Athletinnen und Athleten entweder an Regelschulen oder an so genannten Eliteschulen des Sports.

Eine Eliteschule des Sports ist eine vom Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) anerkannte Fördereinrichtung, die im kooperativen Verbund von Leistungssportzentren, Schule und Internat Bedingungen gewährleistet, damit talentierte Nachwuchsathletinnen und -athleten sich auf künftige Spitzenleistungen im Sport bei Wahrung ihrer schulischen Bildungschancen vorbereiten können.

Leuchtturmprojekte können Vorbild sein

Das Team des Arbeitsbereichs „Inklusion im Sport“ an der Universität Paderborn hat nun erstmals in Deutschland unter Leitung von Prof. Dr. Sabine Radtke den paralympischen Sport unter besonderer Berücksichtigung der Vereinbarkeit von Schule und Leistungssport unter die Lupe genommen. Ihr Fazit: Inklusion ist in Sportschulen längst noch kein Selbstläufer. Aber es gibt bereits Leuchtturmprojekte mit Vorbildcharakter. Diese gelte es zu stärken und auf andere Schulen zu übertragen.
„Wir haben zunächst untersucht, wie jugendliche Kaderathletinnen und -athleten aus paralympischen Sportarten, die an Regelschulen oder Eliteschulen des Sports unterrichtet werden, mit der Doppelbelastung umgehen und welche Ressourcen ihnen zur Bewältigung der Anforderungen zur Verfügung stehen“, sagt Prof. Dr. Sabine Radtke. Auf der einen Seite werden Chancen benannt, die die Beteiligten mit dem Besuch der Eliteschule des Sports verbinden. Auf der anderen Seite werden Barrieren aufgezeigt, mit denen die Jugendlichen an Eliteschulen des Sports konfrontiert sind.

Gleichberechtigter Zugang zu den Eliteschulen nötig

Es wird deutlich, dass die Anforderungen im paralympischen und nicht-paralympischen Leistungssport weit weniger unterschiedlich sind, als allgemein angenommen wird. Prof. Radtke: „In unseren Interviews haben erfolgreiche Nachwuchssportlerinnen und -sportler berichtet, dass sie immer wieder mit dem Vorurteil konfrontiert werden, dass sie im paralympischen Sport hinsichtlich der Trainingsumfänge und -intensitäten weniger leisten, als dies im olympischen Sport der Fall sei. Wir haben aber das Gegenteil festgestellt: Die Anforderungen, die an die Jugendlichen aus dem Para-Bereich gestellt sind, sind mindestens genauso hoch, wenn nicht noch anspruchsvoller! Und genau deshalb ist es so wichtig, dass den Jugendlichen auch der Zugang zu den Eliteschulen genauso wie den Jugendlichen ohne Behinderung gleichberechtigt offensteht.“

Offenheit gegenüber dem Behindertensport angemahnt

Die am Department Sport und Gesundheit durchgeführte Studie hat jedoch zutage gebracht, dass sowohl bei der Aufnahme als auch bei der Einbindung von Schülerinnen und Schülern mit Behinderung an Sportschulen Barrieren auftreten. An einigen der 43 Standorte in Deutschland, so berichtet Prof. Radtke, zeigen sowohl Schulleitungen als auch Trainerinnen und Trainer keine ausreichende Offenheit gegenüber dem Behindertensport. Argumentiert werde meist mit fehlender Barrierefreiheit, jedoch liege es meist eher an Unwissenheit und Berührungsängsten gegenüber dem Behindertensport. Darüber hinaus wird in der Studie dargestellt, wie in einigen Fällen Sportschülerinnen und -schüler Jugendliche mit Behinderung ausgrenzen und wie sich diese daraus folgend isoliert fühlen.
Auf der anderen Seite macht Prof. Dr. Sabine Radtke jedoch deutlich, dass es auch gelungene Beispiele für Inklusion im Nachwuchsleistungssport gibt: „Inklusion an Eliteschulen des Sports kann gelingen!“
Dementsprechend liefert die jetzt auch als Buch vorliegende Studie wichtige Impulse für die Sportpolitik.

Das Buch „Inklusion im Nachwuchsleistungssport – Vereinbarkeit von Schule und paralympischem Leistungssport an Eliteschulen des Sports versus Regelschulen“ ist im SPORTVERLAG Strauß, Hellenthal, erschienen (ISBN: 978-3-86884-547-1).
Die Studie wurde gefördert vom Bundesinstitut für Sportwissenschaft.