Bio­me­cha­ni­sches In­sti­tut

Klinik Lindenplatz in Bad Sassendorf

Leitung: Prof. Dr. Thomas Jöllenbeck (Associate Professor)

Team: Dr. Juliane Pietschmann

Ak­tu­el­le For­schungs­the­men

  • Orthopedic-traumatological rehabilitation and prevention
  • Functional and performance diagnostics
  • Biomechanics of the human gait
  • Stance, gait and running analysis
  • Static and dynamic spine analysis
  • Feedback-based gait training
  • Sports with endoprosthesis
  • Muscle function analysis (EMG)
  • Jump analysis
  • ACL prevention

Dritt­mit­tel­ge­för­der­te Pro­jek­te

RehaToGo – A mobile movement-tracking feedback-system for gait analysis to optimize stationary thera

Prof. Dr. Thomas Jöllenbeck & Prof. Dr. Matthias Weigelt

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ProCare – A prevention program for nursing home

Dr. Thomas Jöllenbeck & Prof. Dr. Matthias Weigelt

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Pro­jek­te

Backt to normal gait

Gait analysis and feedback-based gait training in orthopedic rehabilitation wirh hip or knee endoprosthesis

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Spine analysis in orthopedic rehabilitation

Publication

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Sports with endoprosthesis

Publication

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Biomechanics of alpine skiing

Publications

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Protecting styles in alpine skiing

Publication

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Effectiveness of hip and back protectors in everyday life and sports

Publication

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Biomechanics of walking, nordic walking, spring stick walking and cross-shaping

Publication

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serious game for thrombosis prohphylaxis

Publication

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Tech­ni­sche Ausstat­tung und Soft­ware

see also https://www.klinik-lindenplatz.de/institut-fuer-biomechanik/

research gate: https://www.researchgate.net/profile/Thomas_Joellenbeck

For­schung & Pu­bli­ka­ti­o­nen

… oder warum die meisten Patienten die vorgegebene Teilbelastung nicht einhalten können.

 

Beitrag des biomechanischen Instiuts der Klinik Lindenplatz in Bad Sassendorf:

Pilotstudie erfolgreich abgeschlossen: Ein zusammen mit der Universität Paderborn entwickeltes Trainingsprogramm ermöglicht schnell und nachhaltig eine deutliche Annäherung an die vorgegebene Teilbelastung.

Die Einhaltung einer vorgegebenen Teilbelastung stellt ein wesentliches Sicherheits- und Erfolgskriterium für den Genesungsprozess in der orthopädisch-traumatologischen Rehabilitation dar.

Die Überprüfung und Korrektur der Teilbelastung ist inzwischen zu einer Routineuntersuchung geworden. Nach therapeutischer Einstellung, Überprüfung und Gewöhnung an die Teilbelastung und den Gang mit Gehstützen werden viele Patienten einer dynamometrischen Ganganalyse unterzogen. Hierzu werden eine Gangbahn mit zwei Kistler-Kraftmessplatten sowie eigens entwicklete und weltweit einmalige Gehstützen mit integrierten Kraftaufnehmern eingesetzt. Die Patienten werden gebeten, je nach Vermögen bis zu 10-mal über die Gangbahn zu gehen. Im Anschluss erfolgt immer eine Gewichtsmessung. Zur Aufbereitung und Analyse der Daten wird eine eigens entwicklete Softwarelösungen eingesetzt. Unmittelbar im Anschluss an die Messungen werden alle Patienten über das Ergebnis informiert und ggf. nochmals intensiv im Gang mit Gehstützen unterwiesen.

Die bisher erhobenen weit über 1.200 Datensätze haben bei 89% unserer Patienten eine deutliche Überschreitung von im Mittel 135% der unmittelbar zuvor eingestellten Teilbelastung gezeigt. Gut 50% unserer Patienten überschritten die vorgegebene Teilbelastung sogar um mehr als das Doppelte.

Die Krafteinleitung über die Gehstützen ist erheblich zu gering und 70 ms zu spät, der Abdruck erfolgt hingegen 60 ms zu früh. Die Überlastung steigt hochsignifikant mit beiden Zeitparametern sowie mit Alter und Gewicht der Patienten. Die Ursachen sind in motorisch-koordinativen Defiziten sowie zu geringen Kräften im Oberkörper begründet. Der zu späte Gehstützenaufsatz ebenso wie der zu frühe Abdruck sind bereits lang genug, um die Beinbelastung erheblich über die vorgegebene Teilbelastung steigen zu lassen, andererseits jedoch viel zu kurz, um vom Auge des Therapeuten als unterschiedliche Zeitpunkte wahrgenommen zu werden. Eine zeitliche Korrektur des Gehstützeneinsatzes kann die Teilbelastung bereits um 30% reduzieren. Eine weitere Reduktion der Teilbelastung scheitert oft an mangelnden Kraftfähigkeiten der Oberarm-Schulter-Rumpf-Muskulatur. Der erforderliche Kraftzuwachs ist während der Phase der Rehabilitation nicht zu realisieren. Als Konsequenz sind sowohl Notwendigkeit, Maß und Handhabung der Teilbelastung zu diskutieren als auch rechtzeitige präoperative Maßnahmen zu ergreifen, die eine Einhaltung der Teilbelastung ermöglichen. Hier scheint eine therapeutisch angeleitete Gangschule mit Gehstützen ebenso wie ein rechtzeitig begonnenes Krafttraining der betroffenen Oberarm-Schulter-Rumpf-Muskulatur Mittel der Wahl zu sein.

 

Die Teilbelastung kann erfolgreich reduziert werden

Neueste Studien zusammen mit der Universität Paderborn zum Gang mit Unterarmgehstützen haben nun gezeigt, dass es mit Hilfe eines Trainingsprogrammes möglich ist die vorgegebene Teilbelastung schnell zu lernen und gleichzeitig erheblich und nachhaltig zu reduzieren. Ein entsprechendes Trainingsgerät befindet sich zur Zeit in der Entwicklung.

 

Publikationen zu diesem Thema:

  • Jöllenbeck, T., Beck, K., Neuhaus, D., Pietschmann, J, Wawer, C.: Feedback-Training zum Erlernen einer vorgegebenen Teilbelastung beim Gehen mit Gehstützen. In: Deutsche Rentenversicherung Bund, Berlin (Hrsg.): 22. Rehabilitationswissenschaftliches Kolloquium: Teilhabe 2.0 – Reha neu denken? DRV-Schriften, 2013, 101, 374-377. [PDF]
  • Pietschmann, J., Jöllenbeck, T.: Feedbacktraining auf dem Laufband zur Normalisierung des Gangbildes bei Patienten nach Hüftgelenksersatz. in: Sportinformatik 2012 : 9. Symposium der Sektion Sportinformatik der Deutschen Vereinigung für Sportwissenschaft vom 12.-14. Sept. 2012 in Konstanz: Beiträge. R. Byshko, T. Dahmen, M. Gratkowski, M. Gruber, J. Quintana, D. Saupe, M. Vieten, A. Woll (Hrsg.), KOPS Institutional Repository University of Konstanz, 2012, http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:352-215536, 72-79.
  • Pietschmann, J, Jöllenbeck, T., Altrogge, N., Baumann, O., Töpler, M., Trumpf, R.: Feedbacktraining auf dem Laufband nach Knie-TEP. In: Mess, F., Gruber, M., Woll, A. (Hrsg.): Sportwissenschaft grenzenlos. 21. Sportwissenschaftlicher Hochschultag der dvs.Schriften der Deutschen Vereinigung für Sportwissenschaft, 230, Feldhaus, Hamburg, 2013, 69.
  • Olivier, N., Jöllenbeck, T., Bergmeier, M., Müller, F., Wilbert, M.: Ein Trainingsverfahren zum Erlernen der vorgegebenen Teilbelastung beim Gehen mit Gehstützen – angewandt in der rehabilitativen Praxis, Orthopädische Praxis, 2008, 44, 1, 24-28
  • Jöllenbeck, T., Schönle, C.: Der Einfluss der Gehstützen auf die Einhaltung einer vorgegebenen Teilbelastung in der orthopädisch-traumatologischen Rehabilitation. In: Brüggemann & Morey-Klapsing (Red.): Biologische Systeme – Mechanische Eigenschaften und ihre Adaptation bei körperlicher Belastung. Schriften der dvs; Band 135, Czwalina, Hamburg, 2003, 74-77
  • Jöllenbeck, T., Schönle, C.: Gangverhalten von Patienten nach Knie-TEP während der Rehabilitation. Der Unfallchirurg, 2011, 144, Suppl. 1, 15.

Weitere Publikationen sind auf der Seite des Biomechanischen Institus zu finden.

Beitrag des biomechanischen Instiuts der Klinik Lindenplatz in Bad Sassendorf:

Der Gang ist für den menschlichen Körper die natürlichste Fortbewegungsart. Krankheiten, Verletzungen oder mit zunehmendem Alter vor allem Verschleißerscheinungen können den „normalen“ menschlichen Gang im Zuge von Schmerzvermeidungsstrategien nachhaltig verändern. Mit der schmerzbedingten Entlastung eines Körperteils können wiederum Fehlhaltungen verbunden sein, die andere, meist contralaterale Körperteile übermäßig beanspruchen.

Die Wiederherstellung des „normalen“ Ganges und damit einhergehend die Beseitigung von Fehlstellungen, die sich über einen langen Zeitraum manifestiert haben, ist nicht nur der Wunsch von Patienten, sondern neben der Vermeidung von Folgeschäden ein wesentliches Ziel in der orthopädischen Rehabilitation.

Ziel umfangreicher Studien ist es, hierzu aus Sicht der Bewegungswissenschaft einen wesentlichen Beitrag zu leisten und auf Basis ganganalytischer Verfahren Strategien zur Optimierung therapeutischer Maßnahmen zu entwickeln. Das bedingt eine intensive Auseinandersetzung mit der Frage nach Definition und Charakteristika des „normalen“ Ganges ebenso wie mit der Frage nach den anzusteuernden Parametern zur Wiederherstellung des normalen Ganges in der Rehabilitation.

 

Publikationen in diesem Bereich:

  • Pietschmann, J., Jöllenbeck, T.: Feedbacktraining auf dem Laufband zur Normalisierung des Gangbildes bei Patienten nach Hüftgelenksersatz. in: Sportinformatik 2012 : 9. Symposium der Sektion Sportinformatik der Deutschen Vereinigung für Sportwissenschaft vom 12.-14. Sept. 2012 in Konstanz: Beiträge. R. Byshko, T. Dahmen, M. Gratkowski, M. Gruber, J. Quintana, D. Saupe, M. Vieten, A. Woll (Hrsg.), KOPS Institutional Repository University of Konstanz, 2012, http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:352-215536, 72-79.
  • Pietschmann, J, Jöllenbeck, T., Altrogge, N., Baumann, O., Töpler, M., Trumpf, R.: Feedbacktraining auf dem Laufband nach Knie-TEP. In: Mess, F., Gruber, M., Woll, A. (Hrsg.): Sportwissenschaft grenzenlos. 21. Sportwissenschaftlicher Hochschultag der dvs.Schriften der Deutschen Vereinigung für Sportwissenschaft, 230, Feldhaus, Hamburg, 2013, 69.
  • Jöllenbeck, T., Schönle, C.: Gangverhalten von Patienten nach Knie-TEP während der Rehabilitation. Der Unfallchirurg, 2011, 144, Suppl. 1, 15.

Weitere Publikationen sind auf der Seite des Biomechanischen Institus zu finden.

Beitrag des biomechanischen Instiuts der Klinik Lindenplatz in Bad Sassendorf:

In der orthopädisch-traumatologischen Rehabilitation wird das Training auf dem Fahrradergometer nach Knie- oder Hüftoperationen vor allem zur Gelenkmobilisierung und zur Therapie von Muskelatrophien eingesetzt. Die Belastung der Sprung-, Knie- und Hüftgelenke in sitzender Position ist niedriger als beim Gehen (ERICSON & NISELL 1986). Wegen der guten Dosierbarkeit der Pedalkräfte scheint das Fahrradergometer auch für Patienten mit Teilbelastung gut geeignet. Vereinzelte Studien bringen jedoch ein erhöhtes Lockerungsrisiko von Hüftendoprothesen mit Fahrradfahren in Verbindung (HEIMEL & GRIFKA 1996, WIRTZ u.a. 1998).Tests mit neuen Instrumentarien haben entgegen eigenen früheren Untersuchungen höhere Belastungen gerade in der Startphase ergeben. Die vorliegenden Studien verfolgten daher das Ziel, die Belastung der Beinskelettes auf dem Fahrradergometer zu präzisieren und Hinweise für Praxis und Patientensicherheit abzuleiten.

 

Studie 1: „Pedalkräfte auf dem Fahrradergometer“

An der Studie nahmen 10 gesunde Probanden teil. Die Pedalkräfte auf einem Fahrradergometer wurden über Fußdruckmesssohlen, die Gelenkwinkel vom Fuß bis zur Hüfte mittels 3D-Ultraschall-Bewegungsanalyse ermittelt. Die Probanden wurden gebeten, das Ergometer beginnend mit 25W und in Stufen von 25W bis zu ihrer maximalen Leistung jeweils auf 60, 80 bzw. 100 UpM zu beschleunigen und anschließend die Drehzahl für mind. 30s konstant zu halten.

Die aufzubringenden mittleren maximalen Pedalkräfte aus Eigengewicht des Beines und Muskelkraft betragen bei 25 Watt 16,0/17,1/19,5 kg (60/80/100 UpM) und steigen linear um 3,3/2,6/1,8 kg pro 25 Watt. Bezüglich der Pedalkräfte sind bis 100 Watt niedrigere, über 100 Watt höhere Drehzahlen günstiger. Geringere Drehzahlen erzeugen jedoch höhere schwankungsbedingte maximale Pedalkräfte. In der Startphase treten hohe maximale Pedalkräfte von 60 kg auf. In der Startphase treten die größten Pedalkräfte in einer Tretkurbelstellung von 0-90° und bei konstanter Drehzahl von 90-180° auf. Bei Verkürzung der Pedallänge steigen die Pedalkräfte erwartungsgemäß deutlich an. Wird z.B. bei Patienten mit reduzierter Bewegungsamplitude eine verkürzte Pedallänge verwendet, so ist die eingestellte Ergometerleistung entsprechend zu reduzieren.

Für Lockerungen verantwortlich gemachte Rotationsbewegungen im Hüftgelenk konnten nicht festgestellt werden. Die Pedalkräfte in der Startphase sind vielfach höher als angenommen. Ein Fahren mit Pedalbügeln zur Ermöglichung einer Startphase nur über die gesunde Körperseite bei gleichzeitiger Entlastung der eingeschränkten Körperseite ist dringend anzuraten und die Technik den Patienten zu vermitteln. Bei konstanter Drehzahl hingegen kann das Fahrradergometer auch bei Patienten mit Teilbelastung problemlos eingesetzt werden.

 

Studie 2: „Gelenkmomente auf dem Fahrradergometer“

In Erweiterung der Ergebnisse von Studie verfolgt Studie 2 das Ziel, mittels inverser Dynamik die effektive Gelenkbelastung von Patienten auf dem Fahrradergometer abzuschätzen und Hinweise für die Praxis und die Patientensicherheit abzuleiten.

An der Studie nahmen 16 Patienten nach zementfreier Hüft-TEP sowie eine Kontrollgruppe mit 10 Probanden teil. Die Patienten wurden gebeten, auf dem Ergometer entsprechend ihrem Therapieplan zu trainieren. Die eingestellte Leistung lag zwischen 25W und 50W, die Messzeit betrug jeweils 35 s. Zusätzlich wurde bei 12 Patienten ein Entlastungstest für das operierte Bein durchgeführt, bei dem die Pedalkraft während der ersten vier Tretzyklen vorwiegend durch das nicht operierte Bein erzeugt werden sollte. Die Pedalkräfte auf einem Fahrradergometer wurden mit individuell auf einer Kraftmessplatte (Kistler) abgeglichenen Fußdruckmesssohlen (Novel), die Gelenkwinkel vom Fuß bis zur Hüfte mittels 3D-Ultraschall-Bewegungsanalyse (Zebris) ermittelt. Aus diesen Daten wurden mittels inverser Dynamik (Laatz 2004) die entsprechenden Gelenkmomente im Hüftgelenk berechnet.

Die resultierenden Gelenkkräfte im Hüftgelenk der operierten Seite betrugen bei konstanter Drehzahl bei 25 Watt 17,5 kg, bei 35 Watt 19,6 kg und bei 50 Watt 28,5 kg. In der Startphase, d.h. in den ersten vier Trittzyklen wurden maximale Gelenkkräfte von 70,8 kg (64,4 kg bei 25 Watt, 79,1 kg bei 35 Watt, 71,7 kg bei 50 Watt) berechnet. Wurde die operierte Seite in der Startphase bewusst entlastet, betrugen die Gelenkkräfte nur noch 18,8 kg.

Insgesamt werden die Ergebnisse der ersten Studie (Jöllenbeck 2007) mit gesunden Probanden hinsichtlich der Pedalkräfte in der Startphase und bei konstanter Drehzahl im Wesentlichen bestätigt. Aufgrund der vorherrschenden Hebelverhältnisse zwischen Hüftgelenk und Femur sind nach Bergmann u.a. (1995) die Gelenkkräfte im Hüftgelenk rund dreimal größer als die zugehörigen Bodenreaktionskräfte. Somit entsprechen alle Hüftgelenkkräfte von weniger als 30 kg bei konstanter Drehzahl wie auch bei Entlastung der operierten Seite einer Teilbelastung von weniger als 10 kg und sind somit als unproblematisch einzustufen. Als Ergebnis beider Studien sollte bei einer vorgegebenen Teilbelastung von 20 kg eine maximale Leistung von 80-100 Watt nicht überschritten werden. In der Startphase hingegen bewegen sich die Gelenkkräfte bereits bei geringen Leistungen von 25 bis 50 Watt mit bis zu 79 kg im Bereich einer vergleichbaren Teilbelastung von etwas über 26 kg. Die effektiven Kräfte in der Startphase steigen mit der eingestellten Leistung und mit der Beschleunigung der Trittbewegung. Eine Reduzierung der Kräfte in der Startphase im Einklang mit der vorgegebenen Teilbelastung kann durch eine Beschleunigung vorwiegend über das gesunde Bein bei gleichzeitiger Entlastung des operierten Beines erfolgen. Alternativ scheint auch eine beidbeinige langsame Beschleunigung der Trittbewegung möglich. Der Antritt sollte jedoch immer mit dem gesunden Bein beginnen.

Die vorliegende Studie belegt, dass in der orthopädisch-traumatologischen Rehabilitation das Fahrradergometer bei konstanter Drehzahl wegen der guten Dosierbarkeit der Gelenkmomente durch die eingestellte Leistung auch bei Patienten mit Teilbelastung problemlos eingesetzt werden kann. In der Startphase sind die Gelenkmomente im Hüftgelenk jedoch so hoch, dass ein Anfahren nur über die gesunde Körperseite oder mit langsamer Beschleunigung dringend anzuraten ist.

Nor­dic Wal­king - Ei­ne Feld­s­tu­die über den My­thos Ge­len­k­ent­las­tung

EINLEITUNG

Nach Angaben des Deutschen Nordic Walking Verbandes betreiben in Deutschland derzeit ca. 2 Mio. Menschen die Sportart Nordic Walking (NW). Studien zu physiologischen Belastungsparametern beim NW zeigen im Vergleich zum Walken (W) positive gesundheitsbezogene physiologische Effekte wie z.B. erhöhte Sauerstoffaufnahme sowie erhöhten Kalorienverbrauch und erhöhte Herzfrequenz (u.a. Porcari et al., 1997; Church et al., 2002). Allerdings weisen Ergebnisse aus neueren Studien darauf hin, dass der physiologische Nutzen überschätzt wurde (Schiebl et al., 2003; Höltke et al., 2005). Ferner ist die bisher nicht wissenschaftlich belegte Meinung verbreitet, dass das Gehen mit Nordic-Walking Stöcken eine 30-50%‑ige Entlastung der Gelenke ermöglicht (vgl. z.B. Geyer 2005). Ziel der vorliegenden Studie war es daher, 1) den gesundheitlich-präventiven Bezug hinsichtlich der Gelenkentlastung durch NW im Vergleich zum Walken erstmalig in einer Feldstudie zu analysieren und 2) den Vergleich einer Entlastung oder Belastung bezogen auf unterschiedliche Streckenprofile aufzuzeigen.

 

METHODE

Zu diesem Zweck wurden insgesamt 20 Probanden (Alter 51 ±9 Jahre; Körpergröße 1,71 ±0,08 m; Gewicht 72 ±14 kg), bestehend aus 14 erfahrenen Nordic-Walkern (mind. 12 Monate Nordic Walking Erfahrung, Praxis mind. 2 mal pro Woche mind. 1 Std.) und 6 Nordic-Walking Instruktoren gebeten, einen 1575m langen Parcours mit unterschiedlichen Streckenprofilen jeweils einmal mit und einmal ohne Nordic-Walking-Stöcke in randomisierter Reihenfolge zu bewältigen. Die unterschiedlichen Streckenprofile bestanden aus 2 Asphaltstrecken (jeweils 199,42m, geringe Steigung (Strecke 1) bzw. Gefälle (Strecke 4) von 1,05%, 2 Feldwegen (jeweils 155,42m, geringe Steigung (Strecke 2) bzw. Gefälle (Strecke 3) von 0,36%, einem moderaten Gefälle von 4,37% (55,33m, Strecke 5) und einer moderaten Steigung von 5,8% (104,98m, Strecke 6). Die Probanden wurden aufgefordert, die Sequenzen mit und ohne Nordic Walking Stöcke jeweils mit gleicher Geschwindigkeit zu bewältigen.

Alle Probanden haben während der Messungen einen Rucksack (2,5 kg) mit mobiler Messtechnik (Novel pedarX, Biovision) zur Erfassung und Speicherung der Daten sowie einen Brustgurt und eine Pulsuhr mit Speicherfunktion (Ciclo HAC 4) getragen. Die vertikalen Bodenreaktionskräfte wurden mit Fussdruckmesssohlen (Novel PedarX, 99 Sensoren pro Sohle, Frequenz 100 Hz) über den Druck pro Fläche bestimmt. Die Stockkräfte und der Neigungswinkel der Stöcke (Leki Supreme, Teleskopstock) wurden über Kraftaufnehmer und Inclinometer (Biovision, eingestellter Messbereich: ±500 N bzw. ±90°, Frequenz AD-Wandler 500 Hz) ermittelt, die knapp unterhalb des Stockgriffes in Richtung der Stockachse fest eingebaut waren (Gewicht nach Umbau je 0,45 kg). Bei jedem Proband erfolgte ein zusätzlicher Abgleich der Sohlenkräfte mit Hilfe einer Kistler Kraftmessplatte. Die Anfangs- und Endzeiten in den einzelnen Streckenabschnitten wurden per Funksignal (Biovision) erfasst. Mit Biovision-Messtechnik wurden zudem noch die Kniebeugung (Goniometer), die Oberschenkelneigung in Laufebene (Inclinometer) und die Beschleunigungen oberhalb des Kniegelenkes (Accelerometer) erfasst, auf die Ergebnisse wird in dieser Arbeit jedoch nicht eingegangen. Die Daten wurden auf zwei PDA’s (HP 5550, Speicherkarte 512 MB) erfasst und gespeichert. Die Messungen wurden über einen gemeinsamen Triggerschalter gestartet und beendet. Zur Gewährleistung der Datensynchronisation während der langen Messzeiträume von rund 20 Min. wurde das Taktsignal des Systems Novel pedarX zusätzlich auf das System Biovision übertragen und als separater Messkanal gespeichert. Insgesamt wurden die Daten von rd. 40.000 Schritten aufgezeichnet, mit eigens erstellter Software (VB 6.0) aufbereitet, zur weiteren Verarbeitung in Simi Motion (V 7.2) importiert und schließlich ca. 20.000 Schritte aus den relevanten Streckenabschnitten analysiert. Die Überprüfung der Daten mittels des Kolmogorov-Smirnov-Test ergab eine Normalverteilung des Datensatzes. Anschließend erfolgte die statistische Prüfung durch den T-Test für gepaarte Wahrnehmungen. Das Signifikanzniveau wurde auf p < 0.05 festgelegt. Alle statistischen Analysen erfolgten mit SPSS 12.0.

 

ERGEBNISSE

Interessanterweise zeigt die Analyse, dass die maximalen vertikalen Bodenreaktionskräfte während des Fussaufsatzes (140-170% Körpergewicht) beim Nordic Walking im Vergleich zum Walking nominell um rd. 3% höher ausfallen.

Dies ist für alle untersuchten Streckenprofile erkennbar, für die Aspaltstrecke 2 und jeweils für die Steigung (Strecke 5) und das Gefälle (Strecke 6) sind die Bodenreaktionskräfte bei Nordic Walking links sogar signifikant höher. Der Vergleich der Impulse der vertikalen Bodenreaktionskräfte des linken und rechten Fußes (392-429 Ns) zeigt für keinen der untersuchten Streckenabschnitte signifikante Unterschiede..

Das Minimum der vertikalen Bodenreakionskraft in der mittleren Standphase ist beim Nordic Walking im Vergleich zum Walking für alle Streckenabschnitte signifikant geringer. Beim Fußabdruck unterscheidet sich die vertikale Bodenreaktionskraft beim Nordic Walking im Vergleich zum Walking in keinem der untersuchten Streckenabschnitte signifikant.

 

Die Stockkräfte zeigen über alle Streckenabschnitte im Mittel ein Maximum von 46 ±5 N in Richtung der Stockachse bei einem Aufsatzwinkel von 34,1 ±11,7° zur Vertikalen, von 37 ±5 N in vertikaler Richtung und von 26 ±2 N in horizontaler Richtung. Die berechneten Stockimpulse ergeben durchsschnittlich 12 N·s, entsprechend 2,6-3,6% des Impulses der vertikalen Bodenreaktionskräft der Beine (392-429 Ns). Die Ganggeschwindigkeit ist beim Nordic Walking im Mittel um ca. 5,3% signifikant höher als beim Walking. Die Herzfrequenz ist beim Nordic Walking über alle Streckenprofile im Mittel 10 ±3 Schläge/Minute höher als beim Walking.

 

DISKUSSION

Ziel der vorliegenden Studie war, den gesundheitlich-präventiven Bezug hinsichtlich der Gelenkentlastung durch Nordic Walking im Vergleich zum Walking in unterschiedlichen Streckenprofilen in einer Feldstudie zu untersuchen. Die Ergebnisse der Studie zeigen, dass es weder in der Fußaufsatz- noch in der Fußabdrucksphase noch in den unterscheidllichen Streckenprofilen zu einer Verringerung der Bodenreaktionskräfte bei Nordic Walking im Vergleich zum Walking kommt. Insbesondere bei den maximalen Bodenreaktionskräften in der Fußaufsatzphase wurden eher erhöhte Bodenreaktionskräfte im Vergleich zum Walking gemessen. Eine mögliche Erklärung hierfür sind die etwas höheren Geschwindigkeiten beim Nordic Walking. Allerdings zeigen die Daten eindeutig, dass die verbreitete Meinung einer Gelenkentlastung durch Nordic-Walking von 30-50% als unhaltbar zurückzuweisen ist. Zumal vor dem Hintergrund, dass die hochdynamischen Bewegungen beim Walking oder Nordic Walking bereits um 20-40% höhere vertikale Bodenreaktionskräfte erzeugen als normales Gehen. Bedingt durch die Doppelkontaktphase im Schrittzyklus beim Nordic Walking ist eine deutliche Entlastung lediglich gegenüber dem Joggen festzustellen.

Die Bedeutung des Stockeinsatzes als entlastendes Element wird nach Lage der Daten erheblich überschätzt. Kräfte und Impulse der einseitig über den jeweiligen Gegenarm eingesetzten Stöcke sind viel zu gering, als dass sie einen deutlich entlastenden Beitrag leisten könnten. Hinzu kommt der Aufsatzwinkel der Stöcke, der die effektive Entlastung weiter reduziert. Es bleibt aber zu vermuten, dass der Stockeinsatz einen wesentlichen Beitrag zur Gangsicherheit und zum Gleichgewicht leisten kann. Inwieweit es durch den Stockeinsatz zu einer Aufrichtung des Rücken und einer Kräftigung der Oberarm-Schulter-Rumpf-Muskulatur kommt, kann mit den vorliegenden Daten nicht beantwortet werden. Die vergleichsweise nur leicht erhöhte physiologische Belastung beim Nordic Walking gegenüber Walking unterstützt jedoch die Vermutungen von Schiebl et al. (2003) und Höltke et al. (2005), dass auch diese Effekte erheblich überschätzt werden.

Insgesamt ist die Bewegungsmotivation durch Nordic-Walking sehr zu begrüßen. Vor einem therapeutischen Einsatz in der Hoffnung auf die propagierte Gelenkentlastung ist jedoch zu warnen. In weiterführenden Studien soll geklärt werden, welche Faktoren Einfluss auf das Schmerzempfinden bei Patienten mit Kniebeschwerden haben können.

 

LITERATURVERZEICHNIS

  • Church TS, Earnest CP, Morss GM (2002). Research Quarterly for Exercise and Sport; 73 (3), 296-300
  • Deutscher Nordic Walking/Blading Verband (2005) „Was ist Nordic Walking?“ In: www.nordicfitnessworld.info/_de/; 04.05.2005
  • Geyer (2005). Mit Stockeinsatz zum Ziel. physiopraxis, 4, 36-38
  • Höltke, V., Steuer, M., Jöns, H., Krakor, S., Steinacker, T., & Jakob, E. (2005). Walking vs. Nordic-Walking II – Belastungsparameter im Vergleich. Deutsche Zeitschrift für Sportmedizin, 56 (7/8), 243.
  • Porcari, J.P., Hendrickson, T.L., Walter, P.R., Terry, L., & Walsko, G. (1997). The physiological response to walking with and without power poles on treadmill exercise. Research Quarterly for Exercise and Sport, 68 (2), 161–166.
  • Schiebl, F., Heitkamp, H., Thoma, S., Hipp, A., & Horstmann, T. (2003). Nordic Walking und Walking im Vergleich. Deutsche Zeitschrift für Sportmedizin, 54 (7/8), 43
  • Willson, J., Torry, M.R., Decker, M.J., Kernozek, T., Steadman, J.R. (2001). Effects of walking poles on lower extremity gait mechanics. Medicine & Science in Sports & Exercise, 1, 142-147.

 

Jöllenbeck, T., Leyser, D., Classen, C., Mull, M., Grüneberg, C.: Nordic Walking – Eine Feldstudie über den Mythos Gelenkentlastung. In: Freiwald, J., Jöllenbeck, T., Olivier, N. (Hrsg.): Prävention und Rehabilitation. Symposiumsbericht Bad Sassendorf 2006, Strauß, Köln, 2007, 399-405. [PDF]

 

Weitere Publikationen zu diesem Thema:

  • Jöllenbeck, T., Grüneberg, C.: Gesund durch Nordic Walking – Prävention oder Mythos?Physiotherapie, 2008, 2, 23-26 [PDF]

Weitere Publikationen sind auf der Seite des Biomechanischen Institus zu finden.

Beitrag des biomechanischen Instiuts der Klinik Lindenplatz in Bad Sassendorf:

Zusammen mit Dr. Walter Kuchler, dem renommierten Skiexperten und Entwickler von Schontechniken im alpinen Skilauf, stellten wir uns die Frage, ob und unter welchen Bedingungen spezielle propagierte Schontechniken im alpinen Skilauf geeignet sind, Belastungen für Skiläufer mit Hüft-, Knie- oder Rückenproblemen bzw. nach Hüft- oder Knie-TEP zu reduzieren und so ein freudvolles Skifahren trotz Handicap zu ermöglichen.

Hierzu wurde in einer Pilotstudie die Effektivität verschiedenen Techniken untersucht.

 

Publikationen zu diesem Thema:

  • Jöllenbeck, T., Schönle, J.: Schontechniken im alpinen Skilauf. In: ASH (Hrsg.) Skilauf und Snowboard in Lehre und Forschung, ASH Band 23, Hamburg, Czwalina, 2015 [PDF]
  • Jöllenbeck, T., Schönle, C., Pietschmann, J.: Protecting Style in Alpine Skiing – Basic Techniques. In: Petrone, N., Marcolin, G. (Eds.): Book of Abstracts of the 21st International Congress on Ski Trauma and Skiing Safety (ISSS 2015), Padua, 2015, 89. [PDF]
  • Jöllenbeck, T., Schönle, C., Pietschmann, J.: Protecting Style in Alpine Skiing – Hip and Knee Joint Specific Techniques. In: Petrone, N., Marcolin, G. (Eds.): Book of Abstracts of the 21st International Congress on Ski Trauma and Skiing Safety (ISSS 2015), Padua, 2015, 111 [PDF]
  • Schönle, C., Jöllenbeck, T., Kuchler, W.: Schontechniken für Gelenke und Wirbelsäule beim alpinen Skifahren – Protecting Style for Joint and Spine when Skiing, Orthopädische und Unfallchirurgische Praxis 2014, 3, 11, 544-553, OUP 2014; 11: 544–553 DOI 10.3238/oup.2014.0544–0553. [PDF]
  • Jöllenbeck, T., Schönle, C.: Schontechniken im alpinen Skilauf – Biomechanische Einzelfallstudie zur Abschätzung möglicher Effekte. Deutsche Zeitschrift für Sportmedizin, 2012, 63, 7-8, 249.

Weitere Publikationen sind auf der Seite des Biomechanischen Institus zu finden.

Beitrag des biomechanischen Instiuts der Klinik Lindenplatz in Bad Sassendorf:

Viele Fragen im Rahmen biomechanischer Bewegungsanalysen lassen sich mit gewöhnlichen Messverfahren nur im Labor oder unter laborähnlichen Bedingungen untersuchen. Um hier Abhilfe zu schaffen, wurde eine Messstation konzipiert, mit der unabhängig von Netz-, Kabel- oder Funkverbindungen echte Messungen im Feld durchführen können.

Die so entwickelte Messstation ist in der Lage, Daten mit hohen Taktraten (bis 2 kHz) über lange Zeiträume (mehrere Stunden) zuverlässig zu erfassen.

Diese Messtechnik wurde bereits im mehreren Projekten erfolgreich eingesetzt. Insbesondere die Fragestellungen zur mobilen Teilbelastungsmessung in der Rehabilitation z.B. beim Gang Treppauf oder Treppab, zur Effektivität von Schontechniken im alpinen Skilauf oder zur Frage der Gelenkbelastung beim Nordic Walking wären ohne diese Messtechnik nicht möglich gewesen oder hätten nur unzureichend beantwortet werden können.

 

Publikationen sind auf der Seite des Biomechanischen Institus zu finden.

„IM VORDERGRUND UNSERER FORSCHUNG- UND ENTWICKLUNGSARBEIT STEHT DER MENSCH MIT SEINEN INDIVIDUELLEN BEWEGUNGSPROBLEMEN.“