Historische Textanalysen in der Sprachwissenschaft – Wie haben sich Texte im Laufe der Zeit verändert?
In einem neuen Forschungsprojekt der Universität Paderborn soll untersucht werden, wie sich Texte in Tageszeitungen und der sogenannten Erbauungsliteratur während der vergangenen Jahrhunderte verändert haben. Die Methode, die die Wissenschaftler dabei anwenden, soll zu einem standardisierten Verfahren der historischen Textanalyse in der Sprachwissenschaft werden. Neu bei der Vorgehensweise ist u. a. die Kombination von vollautomatischer Textanalyse und manueller Annotation, mit deren Hilfe alle Textebenen erfasst werden sollen. Neben den Prinzipien des Textsortenwandels geht es bei dem Vorhaben auch um das Zusammenspiel mit gesellschaftlichen Entwicklungen. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) unterstützt das Projekt mit insgesamt rund 458.000 Euro.
„Aufgrund ihrer Bedeutung als maßgebliche Genres für breite Bevölkerungsschichten sind Texte aus Zeitungen und der Erbauungsliteratur wichtige historische Dokumente. Allerdings sind weder Textsorten der Pressekommunikation im Zeitraum von 1830 bis 1930 noch solche der Erbauungsliteratur von 1600 bis 1800 bisher umfassend in ihrem Wandel beschrieben worden“, sagt Prof. Dr. Britt-Marie Schuster von der Universität Paderborn, die das Vorhaben leitet. Bei der Erbauungsliteratur handelt es sich um Texte und später Textsammlungen, die als Anleitungen für ein frommes und ehrenhaftes Leben mit religiöser Motivation verstanden werden können und die laut Schuster früher von einem Großteil der Bevölkerung gelesen wurden. „Die Daten beider Genres decken zusammen sowohl einen großen Zeitraum als auch ein breites Textsortenspektrum ab“, begründet Schuster deren Auswahl.
„Für die Studie nutzen wir mehrdimensionale Textsortenmodelle. Das heißt, wir differenzieren unter anderem zwischen thematischen, funktionalen und strukturellen aber auch zwischen sozialen und stilistischen Dimensionen und wollen zeigen, wie sich die daraus ergebenden Muster in den verschiedenen Textsorten manifestiert und weiterentwickelt haben.“ Die Texte, die den Wissenschaftlern dabei als Grundlage dienen, liegen als Korpora, also volldigitalisierte Textarchive, vor. Im Rahmen der Analyse werden computerlinguistische Verfahren eingesetzt und um manuelle Auswertungen ergänzt. Im Ergebnis sollen signifikante Merkmale und musterhafte Ausprägungen der Textsorten für verschiedene Epochen identifiziert werden.
Das Forschungsprojekt mit dem Titel „Die Evolution von komplexen Textmustern: Entwicklung und Anwendung eines korpuslinguistischen Analyseverfahrens zur Erfassung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels“ wird in Kooperation mit der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften durchgeführt und läuft bis 2022.
Nina Reckendorf, Stabsstelle Presse und Kommunikation