Forschung

Mit den folgenden Forschungsschwerpunkten beschäftigt sich die Arbeitsgruppe aktuell:

  • Arbeitsteilung in privaten Haushalten und Gender Care Gap
  • Ernährungsversorgung in Familien
  • Zeit und Zeitarmut
  • Alltagsmanagement und Alltagskompetenzen von jungen Familien

Forschungsschwerpunkte

Ein Forschungsfeld der Professur geht der Frage nach, wer die Arbeit des Alltags im privaten Haushalten erledigt. Dafür wurde u. a. der Gender Care Gap von Nina Klünder als Pendant zum Gender Pay Gap, Gender Pension Gap, Gender Lifetime Earning Gap für den Zweiten Gleichstellungsbericht der Bundesregierung entwickelt. Letztere stellen vor allem die wirtschaftlichen Ungleichheiten dar und zeugen so von einer Ausgrenzung von Sorgearbeit aus der Ökonomie.

Der Gender Care Gap erfasst den relativen Unterschied in der täglich für Care-Arbeit verwendeten Zeit zwischen Männern und Frauen. Er gibt an, um wieviel Prozent die Zeit, die Frauen im Durchschnitt pro Tag für Care-Arbeit aufwenden, die durchschnittliche Dauer der täglichen Care-Arbeit von Männern übersteigt.

Aktuell beträgt der Gender Care Gap 52,4 % (repräsentative Zeitverwendungserhebung 2012/13 des Statistischen Bundesamtes). D.h. erwachsene Frauen leisten anderthalbmal mehr unbezahlte Care-Arbeit als Männer. Dies entspricht im Durchschnitt täglich 87 Minuten mehr Care-Arbeit.

Klünder, Nina; Meier-Gräwe, Uta (2018): Caring, Cooking, Cleaning – repräsentative Zeitverwendungsmuster von Eltern in Paarbeziehungen. In: Zeitschrift für Familienforschung 30 (1), S. 9–29. DOI: 10.3224/zff.v30i1.02.

Klünder, Nina (2017): Differenzierte Ermittlung des Gender Care Gap auf Basis der repräsentativen Zeitverwendungsdaten 2012/13. Expertise im Rahmen des Zweiten Gleichstellungsberichts der Bundesregierung. Online verfügbar unter www.gleichstellungsbericht.de/de/article/51.expertisen.html, zuletzt geprüft am 24.03.2019.

Klünder, Nina; Meier-Gräwe, Uta (2017): Gleichstellung und innerfamiliale Arbeitsteilung. Mahlzeitenmuster und Beköstigungsarbeit in Familien im Zeitvergleich. In: Statistisches Bundesamt (Hg.): Wie die Zeit vergeht. Analysen zur Zeitverwendung in Deutschland. Beiträge zur Ergebniskonferenz der Zeitverwendungserhebung 2012/13 am 05./06. Oktober 2016 in Wiesbaden. Wiesbaden, S. 65–90.

Bedingt durch die steigende Erwerbstätigkeit von Müttern werden seit einigen Jahren Kinderbetreuung und Ganztagsschulen, einschließlich der Mittagessenverpflegung, deutschlandweit ausgebaut, womit ein tendenziell höherer Außer-Haus-Verzehr einhergeht. Erkenntnisleitende Fragestellungen in diesem Forschungsfeld sind, zu analysieren, wie erwerbstätige Eltern in Paarbeziehungen die Ernährungsversorgung in ihren Familien organisieren und gestalten.

Dafür werden drei Paartypen mit unterschiedlichem Erwerbsumfang konstruiert, die typische Arbeitszeitmuster in Deutschland widerspiegeln: Zweiverdiener-Paare, Paare mit weiblichem Zuverdienst und Paare mit männlichem Alleinernährer.

Die quantitative Analyse zeigt: Je höher der Erwerbsumfang der Mütter ist, desto weniger Zeit verwenden sie für die tägliche Ernährungsversorgung. So verbringen Mütter im Zweiverdiener-Paar pro Tag eine halbe Stunde weniger mit der Ernährungsversorgung als Mütter im weiblichen Zuverdienerpaar (03:32 Std.) und eine Stunde weniger im Vergleich zu nichterwerbstätigen Müttern (04:01 Std.). Insgesamt jedoch wenden Mütter – unabhängig von ihrem Erwerbsumfang – täglich mehr als doppelt so viel Zeit für Beköstigungsarbeiten auf wie ihre Partner. Väter engagieren sich verstärkt am Wochenende bei der Mahlzeitenzubereitung, eine deutlich höhere Zeitverwendung weisen aber samstags und sonntags ebenfalls die Mütter auf, sodass noch immer von einer weiblichen Zuständigkeit für die Ernährungsversorgung in Familien gesprochen werden kann. Gleichwohl haben Mütter seit 2001/2002 die tägliche Zeitverwendung sowohl für Beköstigungsarbeiten als auch Essen und Trinken reduziert, wobei die stärksten Einsparungen bei Müttern im Zweiverdiener-Paar zu konstatieren sind. Ungeachtet dieser Zeitreduzierung dominieren im Familienalltag heute nach wie vor typische Mahlzeitenmuster mit Frühstück, Mittagessen und Abendessen. Die Familienmahlzeiten finden werktags vor allem am Abend und am Wochenende oft als ausgedehntes Frühstück statt. Darüber hinaus tragen die verschiedenen Tätigkeiten der Ernährungsversorgung wesentlich zur Herstellung von Familie (doing family) bei, obwohl die Mahlzeiten am Werktag nicht mehr nur im privaten Raum eingenommen werden.

Die qualitative Untersuchung ist der Frage nachgegangen, warum Mütter nach wie vor die Organisation des Essalltags übernehmen. Dafür existieren verschiedene Gründe, die auf unterschiedlichen Ebenen wirken: Zum einen ergibt sich die Zuständigkeit durch historisch gewachsene Strukturen und eingeschriebene Geschlechterrollenstereotype, womit der dichotomen Kategorie Geschlecht eine zentrale Rolle zukommt. Denn besonders mit der Übernahme der Ernährungsversorgung reproduzieren die Mütter ihr soziales Geschlecht (doing gender). Zum anderen begründen die interviewten Frauen ihre Zuständigkeit mit ihrem höheren Anspruch, ihrer Effizienz oder ihrer höheren Zeitverfügbarkeit (wenn sie in Teilzeit arbeiten) – unhinterfragt, welche gesellschaftlichen Strukturen dazu führen. So kommt es teilweise dazu, dass die Partner eher Hilfstätigkeiten in der Küche übernehmen.

Insgesamt stellt die Ernährungsversorgung für die befragten Frauen einen sehr wichtigen Bereich im Privathaushalt dar, insbesondere für Mütter mit Berufsausbildung in ländlicher Region. Diese Mütter berichten von ihrem schlechten Gewissen, wenn sie – bedingt durch ihre Erwerbstätigkeit – nicht selbst die Mahlzeitenzubereitung für ihre Kinder übernehmen. Es wird deutlich, dass die Mahlzeitenzubereitung von den Müttern als äußerst wichtige Fürsorgearbeit empfunden wird und sie unter den gegebenen Rahmenbedingungen permanent im Spannungsfeld zwischen den gesellschaftlichen Ansprüchen der kindorientierten/ „guten“ Mutter und der berufsorientierten Frau stehen.

Klünder, Nina (2020): Die Ernährungsversorgung in Familien zwischen Zeit, Alltag und Haushaltsführung. Eine Mixed-Methods-Untersuchung. Mit Online-Materialien. Weinheim: Beltz. Online verfügbar unter http://nbn-resolving.org/urn:nbn:de:bsz:31-epflicht-1625900.

Klünder, Nina (2018a): Mahlzeitenmuster von Eltern in Paarbeziehungen. In: Angela Häußler, Christine Küster, Sandra Ohrem und Inga Wagenknecht (Hg.): Care und die Wissenschaft vom Haushalt. Aktuelle Perspektiven der Haushaltswissenschaft. Wiesbaden: Springer VS, S. 73–88.

Klünder, Nina (2018b): Zwischen selbst Gekochtem, Thermomix und Schulverpflegung – Innenansichten der Ernährungsversorgung von Familien mit erwerbstätigen Eltern. In: Hauswirtschaft und Wissenschaft 66, S. 1–24. DOI: 10.23782/HUW_21_2018.

Klünder, Nina; Meier-Gräwe, Uta (2017): Essalltag und Arbeitsteilung von Eltern in Paarbeziehungen. Eine Analyse auf Basis der repräsentativen Zeitverwendungsdaten 2012/13 und 2001/02. In: Zeitschrift für Familienforschung 29 (2), 179-201. DOI: 10.3224/zff.v29i2.03.

Klünder, Nina (2022): Private Haushalte im Spannungsfeld zwischen prekärem Zeitwohlstand und Zeitarmut. In: HiBiFo 11 (1), S. 55–67. DOI: 10.3224/hibifo.v11i1.04.

Klünder, Nina (2021): Zeit. In: Ralph Christian Amthor, Brigitta U. Goldberg, Peter Hansbauer, Benjamin Landes und Theresia Wintergerst (Hg.): Wörterbuch Soziale Arbeit. Aufgaben, Praxisfelder, Begriffe und Methoden der Sozialarbeit und Sozialpädagogik. Unter Mitarbeit von Pia Theil, Dieter Kreft und Ingrid Mielenz. 9., vollständig überarbeitete und aktualisierte Auflage. Weinheim, Basel: Beltz Juventa, S. 997–999.

Das Alltagsmanagement von Privathaushalten, insbesondere Familienhaushalten, hat sich aufgrund des gesellschaftlichen Strukturwandels in den letzten Jahren verändert. Das Alltagsmanagement umfasst die Planung, Umsetzung, Steuerung und Kontrolle der Handlungen und Entscheidungen der privaten Daseinsvorsorge im Zusammenspiel mit den haushälterischen Umfeldebenen (Mikroebene: Wohn- und Schwellenbereich; Mesoebene: Nahbereich und Infrastruktur; Makroebene: Geschichte und Kultur des Staates). Dazu zählt die Bereitstellung von Versorgungsleistungen, Betreuungs- und Erziehungsleistungen und dispositive Tätigkeiten mit der Berücksichtigung der Bedarfe und Bedürfnisse der Haushaltsmitglieder. Somit werden die Lebenserhaltung, die Persönlichkeitsentfaltung und eine Kultur des Zusammenlebens im Privathaushalt angestrebt (Meier-Gräwe 2015; Thiele-Wittig 2003; V. Schweitzer 1991, S. 134 ff.).

In der Rush Hour des Lebens zeigen sich für Familien vielfältige Herausforderungen und Problemstellungen, um ein „gutes“ Leben nach den eigenen Vorstellungen und Wünschen zu gestalten. Denn innerhalb dieser Zeit (ca. zwischen dem 25. und 40. Lebensjahr) werden zentrale Lebensentscheidungen, wie berufliche Karrierewege, Partnerwahl, Gründung eines gemeinsamen Haushalts, Ehe und Familiengründung, getroffen. Die Bewältigung dieser Übergangsphasen erfordert unterschiedliche Alltags- und Haushaltsführungskompetenzen, um eine angemessene familiale Daseinsvorsorge zu ermöglichen (Bujard/Panova 2014; DGH 2017; Häußler 2015, S. 23). Zu diesen Kompetenzen zählt auch, in neuen Lebensphasen bedarfsgerechte Unterstützungsleistungen in Anspruch zu nehmen, um sich vor Überlastung und Überforderung zu schützen (Thiele-Wittig 2000, S. 83).

Im Rahmen der Forschung zum Thema Alltagsmanagement und Alltagskompetenzen werden die familialen Lebenslagen sowie die Herausforderungen der alltäglichen Lebensführung analysiert und Bedarfe an Information und Unterstützung erarbeitet. Die zentrale Fragestellung bezieht sich auf die Gelingensstrukturen eines „guten“ Lebens von jungen Familien.

 

Bujard, M.; Panova, R. (2014): Rushhour des Lebens. www.bpb.de/politik/innenpolitik/familienpolitik/197927/rushhour-des-lebens. Zugriff am 20.10.2019.

DGH (DEUTSCHE GESELLSCHAFT FÜR HAUSWIRTSCHAFT E.V.) (Hg.) (2017): Empowerment für Privathaushalte als Basiseinheiten unserer Gesellschaft – Memorandum des Fachausschusses „Strukturwandel des Haushalts“ der Deutschen Gesellschaft für Hauswirtschaft. Gießen und Rheine.

Häußler, A. (2015): Fokus Haushalt- Überlegungen zu einer sozioökonomischen Fundierung der Verbraucherbildung. HiBiFo 3: S. 19 – 30.

Meier-Gräwe, U. (2015): Die Arbeit des Alltags – Warum wir sie gesellschaftlich neu organisieren und geschlechtergerecht verteilen müssen. In: Meier-Gräwe, U. (Hg.): Die Arbeit des Alltags. Wiesbaden, S. 1 – 36.

Schweitzer, R. von (1991): Einführung in die Wirtschaftslehre des privaten Haushalts. Stuttgart.

Thiele-Wittig, M. (2000): Alltagskompetenzen- Bildungsbedarf in einer komplexeren Welt. Bildung als Voraussetzung für Selbstlernprozesse. In: Kettschau, I.; Methfessel, B.; Piorkowsky, M.-B. (Hg.): Familie 2000. Bildung für Familie und Haushalte. Europäische Perspektiven. Hohengehren, S. 83 – 95.

Voß, G. G. (2001): Der eigene und der fremde Alltag. In: Voß, G. G.; Weihrich, M. (Hg.): tagaus – tagein. Neue Beiträge zur Soziologie Alltäglicher Lebensführung. Arbeit und Leben im Umbruch. Schriftenreihe zur subjektorientierten Soziologie der Arbeit und der Arbeitsgesell-schaft. München, S. 203 – 218.